Dies sind die archivierten Webseiten des Lehrstuhls für Programmierung und Softwaretechnik (PST).
Die Seiten des Software and Computational Systems Lab (SoSy) finden Sie auf https://www.sosy-lab.org/.

Informatik-Kolloquium Di, 15.02.2011, 16 Uhr

— abgelegt unter:

Dr. Serge Kernbach: Roboterschwärme und Roboterorganismen: Verkörperte Künstliche Intelligenz zwischen "techno-" und "bio-"

Was
  • Kolloquium
Wann 15.02.2011
von 16:00 bis 17:00
Wo Raum 151
Termin übernehmen vCal
iCal

Einladung zum Vortrag

am Dienstag, den 15.02.2011, um 16:00 Uhr  im Raum 151, Oettingenstr. 67

es spricht: Dr. Serge Kernbach

über: Roboterschwärme und Roboterorganismen: Verkörperte Künstliche Intelligenz zwischen "techno-" und "bio-".

 

Zusammenfassung:Die Robotik hat sich in den letzen Jahren rasant entwickelt. Vor 50 Jahren wurden die ersten industriellen Geräte in den Werken von General Motors eingesetzt und haben die Vision der Roboter als mechatronische Geräte für Jahre geprägt. Heute, 50 Jahre danach, hat sich die Robotik in verschiedenen Bereichen spezialisiert, von großen autonomen Feldgeräten bis zum winzigen Nanoroboter. Die Aufgabestellungen haben sich wesentlich erweitert: von ursprünglicher industrieller Automatisierung zu Medizin, Haushalt, Unterhaltung, Pflege oder Bildung. Die Robotik selbst erlebt momentan die große Transformation von elektro-mechanischen Geräten zu den biologischen, biochemischen, bakteriellen und hybriden Systemen.

Noch in ihrem Ursprung im Mittelalter, zum Beispiel als Japanische Karakuri Puppen, haben die Entwicklungen in der Robotik immer zwei Ziele verfolgt. Zum Einen versuchte man solche Geräte zu konstruieren, die den Menschen helfen sollen schwerere oder gefährliche Aufgaben effizient zu erledigen. Zum Anderen gehörte aber die menschliche Neugier, die Prinzipien des Lebens zu verstehen, indem sie die „lebensähnlichen“ künstlichen Geschöpfe erschafften und so diverse Erscheinungen des Lebens studierten. Heute haben sich diese zwei Zweige fest verschmolzen, zum Beispiel entwickelt die kognitive Robotik nicht nur industrielle Produkte für den Haushalt, sondern untersucht auch zusammen mit der Neurowissenschaft menschliche Kognitionsprozesse. Es stellte sich heraus, dass die lebendigen und synthetischen Objekte und Systeme viele gemeinsame Prinzipien teilen: adaptives Verhalten, Selbsterhaltung, autonome Nahrungs- und Energieversorgung, Evolution von einfachen zu komplexen Formen. Durch diese Erkenntnisse transformiert sich die Künstliche Intelligenz, die ursprünglich als pure Softwareentwicklung gedacht war, in die Verkörperte Künstliche Intelligenz, die heute immer mehr dem natürlichen Leben ähnelt.

Eine der sehr interessanten Eigenschaften des natürlichen Lebens ist die große Adaptivität und Diversität von Formen, Funktionen und Verhalten. Einer von vielen Gründen dafür ist der multizellulare Aufbau von Organismen. Dies ermöglicht es, enorme intrazellulare Komplexität einzukapseln und stellt die Zellen als autonome Bauelemente zur Bildung komplexer multizellularer Strukturen bereit. Durch die Zellspezialisierung sind die Organismen in der Lage, unterschiedliche Gewebe zu bilden und so eine Vielfalt von Gestalten und Funktionen zu erreichen. In der Robotik erforscht man auch die künstliche Multizellularität um die sogenannten Roboterorganismen zu bilden. Die großen Ziele sind dabei nicht nur die flexiblen, adaptiven und dynamisch rekonfigurierbaren Roboter zu bauen, sondern auch ein tieferes Verständnis für solche Prozesse wie die Embryogenese, Zellespezialisierung, Immunität, oder hormonelle Regulierung zu entwickeln.

Künstliche Zellen sind momentan mechatronische Geräte zwischen 1mm und 10cm groß. Ursprünglich existieren sie als Roboterschwärme und können sich nach Bedarf in Organismen dynamisch aggregieren und als Gemeinsamkeit die Umwelt wahrnehmen oder dort agieren. Durch die beschleunigte künstliche Evolution sind die Organismen in der Lage sich selbst umzuprogrammieren.  Auf diese Weise erreichen sie eine enorme Anpassungsfähigkeit für unterschiedliche Umgebungen. Die weitere Entwicklung von multizellularen künstlichen Organismen stellt die Frage, ob die künstlichen Zellen noch weiter minimiert werden können, zum Beispiel zwischen 50µm und 200µm auf MEMs Basis, und auch ob chemo- bio- mechatronische Hybridzellen entstehen können. Die chemo- Hybridzellen sind insbesondere interessant, weil sie potentiell zu Self-Assembling und Self-Replication fähig sind sowie gut programmierbar sind – mit anderen Worten – sie kombinieren Vorteile von chemischen „Mikro-„ und mechatronischen „Makro-„ Systemen.

Dieser Vortrag wird eine Übersicht über die moderne Robotik und Verkörperte Künstliche Intelligenz geben und eine Einführung in die Welt der Roboterorganismen und deren Analogien mit lebendigen Organismen, und diskutiert chemohybride multizellulare Systeme.               

 

 

Serge Kernbach ist der Leiter der Kollektiven Robotik Group an der Universität Stuttgart. Er hat Elektrotechnik und Informatik mit Diplomabschluss in 1994 studiert. Zwischen 1996-1999 hat er mehrere internationale Forschungsstipendien bekommen, in 2007 hat der für seine Doktorarbeit den Preis für die beste Doktorarbeit des Jahres bekommen. Seit 2004 ist er Koordinator von mehreren Europäischen Forschungsprojekten. Seine Forschung konzentriert sich hauptsächlich auf künstliche kollektive Systeme, er ist Autor und Coautor von über 100 Publikationen in internationalen Fachzeitschriften und Konferenzen, er hat mehrere Bücher im Bereich der Robotik vorbereitet.